Menschenjagd

Am 7. Dezember 1988 strahlte der Kanal FOX eine Sendung unter dem Titel »Manhunt Live: A Chance to End the Nightmare« aus. In der Pressemitteilung zur »Menschenjagd« kündigten die Macher an, dass man da einen Kerl suche, der schlimmer als Ted Bundy, der Boston-Würger und Jack the Ripper zusammen sei. Schaltet ein, Amerikaner! Ruft an! Kommt eurer patriotischen Pflicht nach! Der Produzent hatte den Flugzeughersteller Boeing überredet, dem Produktionsteam für die Dauer der Sendung einen hochmodern ausgerüsteten Konferenzsaal zur Verfügung zu stellen. Hier richteten Mitarbeiter eine kostenlose Telefonhotline für Zuschauerhinweise ein. An den Telefonplätzen standen modernste Computer. Die anwesenden Polizisten gaben dort alle eingehenden Hinweise ein und glichen sie mit den vorhandenen Daten ab. Auf Kosten der Produktionsfirma ließen die Macher erfahrene Kriminalbeamte aus den gesamten USA einfliegen, sollten etwa Hinweise aus anderen Bundesstaaten eintreffen.

Schließlich startete die Sendung. Erstes Bild: Eine Stretchlimousine hielt vor dem Studiogebäude an. Anhaltender Trommelwirbel. Patrick Duffy alias Bobby Ewing stieg aus. Bobby Ewing wirkte wild entschlossen und betrat mit energischen Schritten das Produktionsstudio. Diese Nacht würde J.R. – Verzeihung – der Green River Killer dran glauben müssen. Während Duffy seine erste Moderation präsentierte, blinkten im Hintergrund bereits Dutzende Lämpchen an den Telefonen. So ging es den ganzen Abend weiter. Als der Sender Originalaufnahmen aus einem Polizeivideo ausstrahlte, das Beamte der Task Force bei der Bergung der Leiche von Mary Meehan und ihrem ungeborenen Kind zeigte, tickte Amerika aus. Trotz modernster Telekommunikationstechnik brachen die Telefonleitungen im Studio unter der Last der Anrufe zusammen. Die meisten Zuschauer kamen an diesem Abend nicht durch. Boeing zeigte sich kulant. Die Firma erlaubte den Beteiligten, die Räumlichkeiten noch weitere zwei Wochen zu nutzen.

So lange dauerte es, bis die insgesamt weit über 100.000 Anrufe endlich alle entgegengenommen waren. In dieser Hinsicht war die Sendung ein voller Erfolg. Man hatte das Publikum erreicht und hochgradig emotionalisiert. Es schien, als hätten die Macher einen allgemeinen Nerv getroffen. Viele Zuschauer riefen an und ließen ihrer Empörung über das Geschehene freien Lauf. Die Sendung öffnete ein Ventil. Die Green-River-Morde standen für mehr. Sie waren für viele Zuseher ein Symbol dafür, wie sehr die amerikanische Gesellschaft gerade an einer zunehmenden Verrohung litt. Sachlich betrachtet waren die Anrufe für die Ermittler der Task Force allerdings nur von bescheidenem Wert.

Es meldeten sich jede Menge besorgter Bürger, die helfen wollten, aber keine neuen Ermittlungsansätze lieferten. Es riefen die üblichen Wichtigtuer an, die völlig irrelevante Informationen preisgaben. Es tauchten die Denunzianten auf, die ihre Nachbarn, Arbeitskollegen und eigenen Verwandten verpfiffen. Es meldeten sich einsame Verwirrte, die die Hotline mit der Telefonseelsorge verwechselten. Zwei Anrufe halfen immerhin, einen anderen Mord aufzuklären. Zum Bedauern der Task Force kam dieser Täter aber nicht für die Green-River-Morde infrage, wie die weiteren Ermittlungen ergaben. Nachdem die Telefone wieder abgebaut waren und die Task Force Resümee zog, blieben lediglich eine Handvoll Hinweise übrig, die im Hinblick auf die Mordserie vielversprechend klangen.

Es existiert ein rund zwanzigminütiger Zusammenschnitt dieser Sendung „Manhunt live“ aus dem Dezember 1988. Zu sehen sind:

  • Impressionen vom Strip
  • Originalaufnahmen von verschiedenen Leichenfundorten (u.a. am Green River und an der Star Lake Road)
  • Patrick Duffy alias Bobby Ewing sowie die Protagonisten aus „Todesmeile“ Detective Dave Reichert, Fae Brooks, Doc Reay und Bill Haglund
  • ein Interview mit den Eltern von Debbie Estes
  • ein Interview mit dem überlebenden Opfer aus dem Fall „Das blaue Taxi“

Hier der Link zum Video: Manhunt Live – MGM/UA FOX TV eingestellt vom User Tim Mar auf Vimeo.

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